Sturm und Drang Epoche: Wichtige Merkmale

Die Sturm und Drang-Epoche war eine bedeutende kulturelle und literarische Bewegung, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ungefähr von 1765 bis 1785, in Deutschland ihren Höhepunkt erreichte. Sie stellte einen markanten Gegensatz zur aufklärerischen Vernunft und Ordnung dar und brachte eine neue Betonung auf das individuelle Gefühl, die Leidenschaft und die Freiheit. In diesem Beitrag werden die zentralen Merkmale der Sturm und Drang-Epoche beleuchtet, die das Verständnis dieser wichtigen Phase in der deutschen Literaturgeschichte vertiefen.


1. Gefühl und Individualismus: Der Ausdruck des subjektiven Erlebens

Ein zentrales Merkmal der Sturm und Drang-Epoche war die Betonung von Gefühlen und Emotionen. Während die Aufklärung stark auf Vernunft, Rationalität und gesellschaftliche Normen setzte, wendeten sich die Vertreter des Sturm und Drang gegen diese rationalen Prinzipien. Sie glaubten, dass das wahre Wesen des Menschen in seinen inneren Gefühlen und seiner Leidenschaft zu finden sei. Die Epoche hob das subjektive Erleben des Individuums hervor und stellte es in den Mittelpunkt des Schaffens.

Beispiel: In den Werken der Epoche finden sich zahlreiche Charaktere, die sich gegen die gesellschaftlichen Konventionen und die Unterdrückung ihrer Emotionen auflehnen, um ihre wahre Identität und Freiheit zu finden.


2. Rebellion gegen Autorität und Konventionen

Die Sturm und Drang-Autoren kritisierten die starren gesellschaftlichen Normen und den übermäßigen Einfluss der Kirche und des Adels. Die Bewegtheit dieser Epoche spiegelt sich auch in der Rebellion gegen Autoritäten wider, sei es in Form von gesellschaftlichen, politischen oder kulturellen Normen. Das Verlangen nach persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung war ein zentrales Anliegen der Bewegung.

Beispiel: In Johann Wolfgang von Goethes Drama „Götz von Berlichingen“ tritt der Held gegen die Obrigkeit und die bestehenden sozialen Strukturen auf, was als eine der ersten literarischen Manifestationen dieser Rebellion gilt.


3. Natur als Spiegel der Seele

Ein weiteres wichtiges Merkmal der Sturm und Drang-Epoche war die romantische Vorstellung der Natur. Die Natur wurde nicht mehr nur als bloße Kulisse oder Inspirationsquelle betrachtet, sondern als ein Spiegelbild der inneren Gefühlswelt des Menschen. Die Sturm und Drang-Autoren sahen in der Natur eine mächtige Kraft, die in enger Verbindung mit der menschlichen Seele stand.

Beispiel: In den Gedichten von Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe wird die Natur oft als Ausdruck von Freiheit und Wildheit dargestellt, die die widersprüchlichen und leidenschaftlichen Gefühle der Protagonisten widerspiegelt.


4. Geniekult und der Heroismus des Einzelnen

Der Begriff des Genies war ebenfalls von zentraler Bedeutung in der Sturm und Drang-Epoche. Ein Genie wurde als außergewöhnliche, schöpferische Person angesehen, die sich von den Normen der Gesellschaft abhebt. Der Heroismus des Einzelnen, der gegen die Regeln kämpft, seine eigenen Prinzipien verfolgt und sich der gesellschaftlichen Ordnung widersetzt, wurde glorifiziert.

Beispiel: In Goethes Werk „Werther“ sehen wir das Porträt eines jungen Mannes, der von seinem inneren Konflikt und seinen Gefühlen überwältigt wird. Werther wird zum Symbol des genialen Einzelnen, der aufgrund seiner emotionalen Tiefe an den Normen der Gesellschaft scheitert.


5. Sprache als Ausdruck der Emotion

Die Sprache der Sturm und Drang-Autoren war lebendig, ausdrucksstark und oft aufwühlend. Sie setzten auf eine kraftvolle und dramatische Ausdrucksweise, um die inneren Konflikte und Emotionen ihrer Figuren darzustellen. Dabei fanden sie neue Ausdrucksmöglichkeiten, die über die konventionelle Sprache der Aufklärung hinausgingen. Die Dichtung wurde oft von einer spontanen, fast wilden Sprachgestaltung begleitet, die den individuellen Ausdruck und die Leidenschaft der Protagonisten unterstrich.

Beispiel: In Schillers Drama „Die Räuber“ ist die Sprache der Figuren von Dramatik und Leidenschaft durchzogen. Ihre Worte und Reden spiegeln ihre inneren Kämpfe und den Wunsch nach Freiheit wider.


6. Der Einfluss der Französischen Revolution

Obwohl die Sturm und Drang-Epoche vor der Französischen Revolution (1789) begann, beeinflussten die politischen Umwälzungen, die mit der Revolution einhergingen, viele der Ideen der Epoche. Der Wunsch nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit fand sich bereits in den literarischen Werken dieser Zeit wieder und prägte das politische und gesellschaftliche Denken vieler Autoren. Die Revolutionäre Ideen der Aufklärung und die Forderung nach Demokratie und bürgerlichen Rechten wurden durch die Sturm und Drang-Autoren in ihren Werken vorweggenommen.

Beispiel: Werke wie Schillers „Die Räuber“ und Goethes „Götz von Berlichingen“ thematisieren die Auseinandersetzung mit der Obrigkeit und die Suche nach Freiheit und Gerechtigkeit – Themen, die auch in der Französischen Revolution eine zentrale Rolle spielten.


7. Das Drama als bevorzugte Gattung

Die Dramaform war die bevorzugte literarische Gattung der Sturm und Drang-Autoren. Das Theater bot ihnen eine ideale Bühne, um die intensiven inneren Konflikte ihrer Charaktere sowie die dramatischen Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft und der Natur darzustellen. Die Theaterstücke dieser Zeit sind oft von emotionaler Intensität und Leidenschaft geprägt und zeichnen sich durch aufwühlende Konflikte und exzentrische Charaktere aus.

Beispiel: Ein Paradebeispiel für das Drama der Sturm und Drang-Epoche ist Friedrich Schillers „Die Räuber“, das die Geschichte von moralischen und sozialen Konflikten, Aufruhr und Selbstbestimmung erzählt. Auch Goethes „Götz von Berlichingen“ ist ein Drama, das die Ideale der Sturm und Drang-Bewegung verkörpert.


Fazit: Die prägende Bedeutung der Sturm und Drang Epoche

Die Sturm und Drang-Epoche war eine Zeit des Umbruchs und der Revolution in der deutschen Literatur. Sie hob das individuelle Gefühl, die Freiheit des Einzelnen und den Geniekult hervor und stellte diese als Maßstab der schöpferischen Kraft des Menschen dar. Mit einer rebellischen Haltung gegenüber gesellschaftlichen Normen und einer kraftvollen Sprache schufen die Autoren Werke, die noch heute als Höhepunkt der deutschen Literatur gelten.

Die Stürme und das wilde Aufbegehren der Sturm und Drang-Autoren beeinflussten nicht nur die Romantik, sondern auch die moderne Literatur, indem sie die Bedeutung des Individuums und die Freiheit des kreativen Ausdrucks in den Mittelpunkt stellten.